Zwischen Erinnerung und Aufarbeitung

Fürsorgerische Zwangsmassnahmen an Minderjährigen in der Schweiz im 20. Jahrhundert

Broschur
2018. 240 Seiten
ISBN 978-3-0340-1490-8
CHF 38.00 / EUR 38.00 
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Seit einigen Jahren wird die Geschichte der fürsorgerischen Massnahmen an Minderjährigen aufgearbeitet. Dass dies geschehen kann, ist nicht selbstverständlich. Betroffene haben nach Jahrzehnten ihr Schweigen gebrochen, Kulturschaffende das Unrecht thematisiert und in die Öffentlichkeit getragen und staatliche Institutionen den Willen zur politischen und historischen Aufarbeitung des Geschehenen gezeigt.
Das Buch gibt Einblick in die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen an Minderjährigen im 20. Jahrhundert und die Folgen des erfahrenen Unrechts. Es diskutiert Prinzipien und Leitvorstellungen, die mit der gesellschaftlichen Anerkennung und Aufarbeitung des Unrechts verbunden sind, und nennt die Mittel und Medien, dank deren die Gesellschaft für dieses Thema sensibilisiert worden ist.

Gefördert von der Paul Grüninger Stiftung


Prof. Dr., ehem. Leitung Politische Bildung und Geschichtsdidaktik der PH FHNW am Zentrum für Demokratie Aarau ZDA.
Schwerpunkte: Migrations-, Geschlechtergeschichte, Eugenik und Sozialpolitik, Politische Bildung, Geschichtskultur.


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Gisela Hauss (FHNW) ist Professorin an der Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften Nordwestschweiz am Institut Integration und Partizipation. Sie lehrt und forscht zur Geschichte von Jugendhilfe und Kinderschutz, zu Gender und sozialen Ungleichheiten. Sie ist Leiterin des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Sinergia-Forschungsverbundes «Placing Children in Care. Child Welfare in Switzerland».


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Martin Lengwiler ist Professor für Neuere Allgemeine Geschichte am Departement Geschichte der Universität Basel. Seine Schwerpunkte liegen in der Geschichte des Sozialstaates, der modernen Wissenschaftsgeschichte sowie in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.


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Artikel
  • Fürsorgerische Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen im Zeichen gesellschaftspolitischer Aufarbeitung
    S. 21–32
  • Das Beispiel Luzern im deutschschweizerischen Vergleich
    S. 33–46
  • Gefährdete Kinder, beschützte Kinder? Der Fall der illegitimen Kinder in der Romandie (1900–1960)
    S. 47–70
  • Erfahrenes Unrecht und gesellschaftliche «Wiedergutmachung». «Soforthilfe» und «Solidaritätsbeitrag» für die von Zwangs­massnahmen Betroffenen

    Interview von Béatrice Ziegler mit Claudia Scheidegger

    S. 73–82
  • Vulnerabilität und Anerkennung. Erzählte Biografie nach Heimplatzierungen zwischen 1950 und 1990
    S. 83–112
  • Grundrechte im Spannungsfeld von Fürsorge und Zwang. Minderheiten kodieren, über Entrechtung legiferieren und Zwangsmassnahmen legitimieren:

    die Konstruktion kollektiver Identitäten in Kodifikationen und das Spannungsverhältnis zu Grundrechten

    S. 117–140
  • Nothilfe, Entschädigung, Entschuldigung im Kontext von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierung im Zeitraum vor 1981 – das Modell des «Runden Tisches».

    Ein Erfahrungsbericht

    S. 141–158
  • Aufarbeitung und Entschädigung traumatisierender Fremdplatzierungen. Die Schweiz im internationalen Vergleich
    S. 159–178
  • Der Dokumentarfilm im Prozess der Aufarbeitung vergangenen Unrechts

    Interview von Béatrice Ziegler mit Beat Bieri

    S. 183–196
  • Segeln, wo der Wind weht. Die Rolle der Massenmedien bei der Aufdeckung vergangenen Unrechts – das Beispiel fremdplatzierter Kinder und Jugendlicher
    S. 197–204
  • «Wir wollten das Tabu brechen»

    Interview von Béatrice Ziegler mit Jacqueline Häusler

    S. 205–212
  • Geschichten und Gegengeschichten. Die Hochschule als Ort einer reflexiven Historiografie
    S. 213–226

Pressestimmen

Sammelrezension:

«Der Fokus der drei Bände liegt – wie die Herausgeberinnen und Herausgeber in den Einleitungen darlegen – darauf, den Forschungsstand zur Geschichte der fürsorgerischen Zwangsmaßnahmen und Fremdplatzierungen abzubilden, diese Forschung um einzelne Aspekte zu erweitern und damit gleichzeitig die Basis für aktuelle und künftige Forschungsprojekte zu festigen. Letzteres äußert sich auch darin, dass mehrere Autorinnen und Autoren in ihren Beiträgen Forschungsdesiderate herausarbeiten.»

«Insgesamt arbeiten die hier besprochenen Sammelbände verschiedene Forschungsdesiderate zur Geschichte der fürsorgerischen Zwangsmaßnahmen und Fremdplatzierungen heraus und erweitern die historische Auseinandersetzung zu diesem Thema um einzelne bislang wenig beachtete Aspekte. Forschungsdesiderate betreffen etwa das Zusammenspiel von Bund, Kantonen und Kommunen im Bereich von fürsorgerischen Zwangsmaßnahmen und Fremdplatzierungen innerhalb der Schweiz sowie eine vergleichende Forschung zu diesem Bereich im internationalen Kontext. Als bislang wenig beachtete Aspekte sind insbesondere die Familie (unter anderem familiäre Verhältnisse der von Fremdplatzierung betroffenen Kinder, bürgerliche Familienvorstellungen) und die ökonomische Dimension von fürsorgerischen Zwangsmaßnahmen zu nennen. Des Weiteren verorten die Bände das Thema in einem größeren geschichtswissenschaftlichen Forschungszusammenhang (Geschichte des schweizerischen Sozialstaates, Psychiatriegeschichte). Sie schaffen damit eine ausgezeichnete Grundlage, auf der aktuelle und künftige Forschungsprojekte aufbauen können.»

Vollständige Rezension

H-Soz-Kult, 24. Februar 2020, Michèle Hofmann

«Zwei Sammelbände beleuchten gründlich die Geschichte der Heimerziehung und der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen in der Schweiz. [...] Der von Béatrice Ziegler, Gisela Hauss und Martin Lengwiler edierte Sammelband ‹Zwischen Erinnerung und Aufarbeitung. Fürsorgerische Zwangsmassnahmen an Minderjährigen› stützt sich nicht durchgängig auf Fallakten und Interviews. Basierend auf zwei Tagungen, weitet er den Blick mit seinen rund 15 Beiträgen über die Forschung hinaus. [...] Das Buch situiert die Entwicklungen in der Schweiz zudem im internationalen Vergleich. Dabei zeigt sich, dass andernorts die Diskussion um massenhafte Fremdplatzierungen früher eingesetzt hat.»

Neue Zürcher Zeitung, 24. Januar 2019, Urs Hafner