Geschichte der Juden im Kanton Solothurn vom Mittelalter bis heute
«Behejmes, s'chore, risches un zores» - «Vieh, Textilwaren, Antisemitismus und Alltagssorgen» -, so liesse sich auch die Geschichte der Juden im Kanton Solothurn umreissen. Denn in diesem Kanton nahm die jüdische Geschichte einen ähnlichen Verlauf wie auf dem übrigen Gebiet der heutigen Schweiz. Seit mehr als 140 Jahren gibt es in der Aarestadt eine jüdische Religionsgemeinschaft. Heute klein und bescheiden blickt sie auf eine blühende Zeit zurück, als jenseits der Aare, in der Vorstadt, die jüdischen Vieh- und Pferdehändler aus dem Elsass das Strassenbild prägten. Die freie Niederlassung war ihnen jedoch auch in Solothurn und Olten erst ab den 1860er Jahren erlaubt. Zuvor gab es lediglich durchziehende Krämer und Viehhändler, die keinen festen Wohnsitz nehmen durften. Dieser strengen Regelung war die Vertreibung und Ermordung der Juden während der Pestzeit in der Mitte des 14. Jahrhunderts vorausgegangen. Ausserdem gehört die Vertreibung der Juden aus Dornach, wo es zwischen 1650 und 1736 eine Judengemeinde gab, zu den schwärzeren Kapiteln der solothurnischen Geschichte.
Die «Geschichte der Juden im Kanton Solothurn» gibt einen Überblick über den langen und hürdenreichen Weg einer ethnisch-religiösen Minderheit in einem katholisch-liberalen Kanton bis zur rechtlichen Gleichstellung. Das Schwergewicht liegt auf der Entwicklung des Vieh- und Pferdehandels der Städte Solothurn und Olten im 19. Jahrhundert. Aber auch der aufkommende Textil- und Konfektionshandel und die Entstehung der Warenhäuser, wo die jüdischen Kaufleute zu den treibenden Kräften gehörten, werden gebührend berücksichtigt. Ebenso werden dem Beitrag von Juden zur Gründungs- und Erfolgsgeschichte des Städtebundtheaters sowie zur Psychiatriegeschichte je ein Kapitel gewidmet. Das Buch zeigt den Beitrag einer numerisch kleinen, aber bedeutenden Minorität an die allgemeine Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Kantons Solothurn.
Vorwort (Peter Gomm)
Geleitwort (Jacques Picard)
Einleitung
Teil I: Die schwierigen Anfänge einer ethnisch-religiösen Minderheit
Die rechtliche Stellung der Juden im Kanton Solothurn
Die Rechtslage im Deutschen Reich 27 – Das 17. und 18. Jahrhundert 28 – Der lange Weg von der Helvetik bis zur «Judenemanzipation» 33.– Die Helvetik (1798–1803) 33 – Die Mediation (1803–1815) 34 – Die französischen Juden 35 – Die Bundesverfassung von 1848 37 – Der ausländische Druck nimmt zu 38 – Das Schächtverbot von 1893 42
Wirtschaftliche Handlungsräume vom 14. bis zum 18. Jahrhundert
Juden im mittelalterlichen Solothurn 48 – Die Juden als Opfer des Schwarzen Todes 49 – Solothurner Juden im 15. und 16. Jahrhundert 56 – Das 16. Jahrhundert 60 – Die frühe Neuzeit: das 17. und 18. Jahrhundert 63 – Die jüdische Gemeinde in Dornach (circa 1657–1736) 65
Teil II: Lebenswelten von 1860 bis zum Zweiten Weltkrieg
Der Übergang zur Neuzeit (1815–1850)
Der Vieh- und Pferdehandel
Jüdische Viehhändler in der Schweiz 75 – Von den mobilen zu den sesshaften Grossviehhändlern 76 – Der lange Weg vom Sundgau nach Solothurn 80 – Die jüdischen Grossviehhändler lassen sich an der Aare nieder 84 – Die Solothurner Vorstadt als Landeplatz 86 – Lebensentwürfe im Vieh- und Pferdehändlermilieu 94 – Die Pferdehändlerfamilie Braunschweig 94 – Laufbahnen von Viehhändler-Familienmitgliedern 125 – Familie Bloch 125 – Familie Dreyfus 125 – Familie Katz 129 – Familie Kahn 133 – Familie Leval 134 – Fazit 135 – Lebensstandard und Lebensweise der Viehhändler 137 – Gutbürgerliche Verhältnisse 143 – Nicht nur auf Rosen gebettet 145 – Viehhändleralltag 149 – Die Begegnung zwischen Viehhändler und Bauer 150 – Der Vieh- und Pferdemarkt 157 – Viehseuchen und andere Widrigkeiten 163 – Lebenswelt und Religiosiät der Grossviehhändler 164 – Der Oltner Viehhandel 171 – Bollag, Hecker, Dreifuss 174 – Die Guggenheim auf dem Hauenstein 176 – Viehhandel in Wangen und Niedergösgen 183 – Judenfeindlichkeit im Viehhandel 184 – «He, Mauschel, wie theuer dein Gaul?» 186 – Antisemitismus in der Volksliteratur 189
Der Tuch- und Textilhandel
Die ersten jüdischen Textilhändler in Solothurn 1860–1890 195 – Das Kleidergeschäft Levy-Picard (1898–2000) 207 – Weill & Schwob, Naphtaly 214 – Die Geschichte des Herrenmodegeschäfts Adler 214 – Weitere Textilgeschäfte 217
Hausierer und Handelsreisende
Das Hausierverbot von 1823 222 – Hausierhandel nein, Engros-Vertrieb ja 223 – Das Hausiergesetz wird revidiert 224 – Der Hausierhandel um 1900 228
Solothurner Warenhausgeschichte
Das Warenhaus von Heinrich Pilz 232 – 80 Jahre Nordmann an der Gurzelngasse 233 – Drei Generationen Weill bei Nordmann 236 – Karfiol setzt dieWarenhaustradition fort 239 – Das Partiewarenhaus von Pruschy-Bloch 242
Jüdisches Leben in Olten
Der Textilhandel 258 – Die 1930er Jahre 263 – Die religiöse und kulturelle Organisation der Oltner Juden 268 – Ein jüdisches Berliner Unternehmen baut den Hauenstein-Basistunnel 274 – Jüdische Ärzte in Olten 276
Die Israelitische Kultusgemeinde Solothurn
Die erste Gemeinde 279 – «Brith Mila», die Beschneidung 294 – Die IKS um 1900 und in den 1910er Jahren 296 – Die IKS in den späten 1920er Jahren 303 – Allgemeines zur IKS 303 – Der Gottesdienst 303 – Der Religionsunterricht 305 – Das Bestattungswesen 308 – Chronologie der wichtigen Ereignisse in der Solothurner Gemeinde ab 1927 311 – Die 1930er Jahre 311 – Gemeindeleben in den Kriegsjahren 1939–1945 314 – Die Nachkriegeszeit 318 – Die 1970er Jahre 321 – Die 1980er Jahre, der Betsaal wird verkauft 322
Teil III: Der lange Schatten des Nationalsozialismus
Die 1920er Jahre
Die «Hakenkreuzler» in Olten 329
Die 1930er Jahre
Frontenfrühling in Olten 331 – Der Antisemitismus wird salonfähig 335 – Jüdische Flüchtlinge 339 – Jüdische und christliche Familien nehmen Flüchtlinge auf 344 – Erinnerungen an die Emigration: Friedrich Lothar Brassloff 347 – Solothurner Flüchtlingspolitik 350
Teil IV: Integration und Anerkennung auf dem Weg zur Gegenwart
Einbürgerungspraxis
Die Gemeinden buhlen um die Einbürgerungswilligen 365 – Einbürgerungen von Ostjuden 371 – Die Stadt Solothurn geizt mit dem Bürgerrecht 373
Jüdisch-christliche Begegnungen auf dem Standesamt
Die Macht der Solothurner Patrizierfamilien 375 – Eine jüdisch-christliche Ehe unter einem ungünstigen Stern 376 – Wie eine Konstanzer Jüdin aus frommem Haus nach Welschenrohr kam 377 – Eine schweizerisch-polnische Verbindung 380
Lebensentwürfe und Alltag im liberal-jüdischen Bürgertum
Zwei Beispiele von gelungener Integration 381 – Die Familien Adler und Kalman 381 – Jüdische Lehrer im öffentlichen Schuldienst 386
Jüdische Ärzte in der «Rosegg» – ein Stück Psychiatriegeschichte
Moritz Tramer (1882–1963) 393 – Mojsey Esther (1889–1958) 396 – Franz Vadasz (1948–1999) 397
Zwei jüdische Schauspieler fördern das Städtebundtheater
Leo Delsen, der Retter in der Not 399 – Mina Magidey, die eigenwillige Kostümverwalterin 401 – Die Ära Markus Breitner 1955–1966 sowie 1967/68 402
Jüdisches Leben in Solothurn heute
Esther Wormser (* 1953), in Solothurn geboren, aufgewachsen und geblieben 405 – Werner Wyler (* 1925), problemloses Jude-Sein 406 – Hanni Efrati-Kalman (* 1925), von Solothurn über Israel nach Luzern 408 – Schlomo Kuntze (1954), von Südafrika via Frankfurt nach Olten 409
Mit dem Ziel, das Wissen über jüdische Kultur und das Verständnis jüdischen Lebens in der Schweiz zu fördern, gibt der SIG seit 1992 diese Schriftenreihe heraus.
«Karin Huser hat mit ihrer Studie zu Solothurn eine bedeutende Pionierarbeit vorgelegt und die Perspektive auf jüdisches Leben in Keinstädten freigegeben.»
Ruth Jakobs, Schweizerische Zs für Religions- und Kulturgeschichte