Bernadette G. wuchs als Pflegekind in einer frommen Familie auf. Sie sollte auf den rechten Weg gebracht werden, nicht der leiblichen Mutter nachschlagen, die als haltlose Psychopathin abgestempelt worden war. Bernadette hatte keine Chance. Mit zweifelhaften Gutachten holten Ärzte und Psychiater die 18-jährige Büroangestellte ein, warfen sie in den gleichen Topf wie die Mutter und drängten sie 1972 zu Abtreibung und Sterilisation.
Zurück ins Jahr 1954: Weil sie nicht für sie sorgen kann, übergibt die Mutter die sechs Monate alte Bernadette dem Seraphischen Liebeswerk St. Gallen. Das «Werk der Nächstenliebe» platziert das Kind bei katholischen Pflegeeltern im St. Galler Rheintal und empfiehlt eine «straffe Erziehung». Bernadettes harter Kopf lässt sich nicht «erweichen», ihre Vitalität nicht eindämmen. Als Mädchen ist sie zeitweise trotzig, als junge Frau rebelliert sie, bleibt nachts weg, wird schwanger. Pflegefamilie und Vormund suchen Hilfe beim Hausarzt, der zu Abtreibung und Sterilisation rät. Der Psychiater, der schon Bernadettes Mutter als triebhafte und haltlose Psychopathin abgestempelt hatte, argumentiert Jahrzehnte nach dem Ende des Nationalsozialismus eugenisch. Bernadette Norma soll ihre «minderwertigen» Gene nicht weitervererben. Das psychiatrische Gutachten ist rasch gestellt, die völlig gesunde und normal intelligente junge Frau ohne hinreichende Grundlage als geistesschwache Psychopathin beurteilt. Der Dorfarzt sorgt dafür, dass sie nebst der Einwilligung zur Abtreibung auch gleich die Einwilligung zur Sterilisation unterschreibt, und der Pfarrer gibt seinen Segen dazu. Der «Heimkarriere» ihrer leiblichen Mutter entgeht die Tochter nur knapp. Den harten Kopf hat sie von ihr geerbt. Er hat ihr bei der Aufarbeitung ihrer Lebensgeschichte geholfen.
Bernadette G. hat sich nicht zerstören lassen. Ganz im Gegenteil: Sie hat die Rheintaler Journalistin Jolanda Spirig gebeten, ein Buch über sie zu schreiben. Diese hielt die geschilderten Erlebnisse in zahlreichen Interviews fest, las sich durch Aktenberge, hakte nach, befragte Angehörige, Sachverständige, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Entstanden ist eine spannende Geschichte über Vorurteile, Doppelmoral, Überforderung und Anmassung.
Geleitwort (Regierungsrätin Heidi Hanselmann)
Eine Schachtel Glück
Die Diagnose
Ein heisser Sommer
Risse
Das Urteil
In Kobelwald
Die Mutter
Die Akten
Der Groll
Zum Buch (Nachtrag von Jolanda Spirig)
Zwangssterilisationen und Zwangskastrationen in der Schweiz (Nachwort von Thomas Huonker)
Drähte in der Nase
Als die siebenjährige Bernadette Norma erstmals psychiatrisch begutachtet wird, hat sie keine Ahnung, was vor sich geht. «Sie versprachen mir, dass ich ein Geschenk bekomme, wenn ich brav sei. Der Mann trug eine weisse Schürze. Ich musste Bilder deuten und der Mann machte sich Notizen. Ich war lieb und anhänglich damals als kleines Mädchen.» Es ist ihr erst viel später bewusst geworden, dass der Mann mit der weissen Schürze ein Psychiater war. Im Rückblick empfindet sie die Untersuchungen als Vertrauensmissbrauch. «Später, als ich die vierte und fünfte Klasse besuchte, brachte mich Mama noch einige Male mit dem Zug in eine Klinik. Dort befestigten sie Drähte an meinem Kopf. Sie hatten mir ein Buch versprochen, wenn ich schön stillhalte. Ich las sehr viel damals und bekam ständig Bücher geschenkt. Das letzte Mal, als sie mich untersuchten, steckten sie mir die Drähte sogar in die Nase. Das tat weh, aber sie erklärten mir nicht, was sie damit vorhatten. Von einem Hirnschaden sprachen sie e
Der Prix-Courage 2013, verliehen vom «Beobachter», ging an Opfer behördlicher Willkür. Unter ihnen Bernadette Gächter, die als 18-Jährige schwanger wurde, deren Kind abgetrieben und die gegen ihren Willen sterilisiert wurde. Sie sei geisteskrank, entschieden die Psychiater. Bernadette Gächter erkämpfte sich Einsicht in ihre Akten, schrieb sich die Finger wund und ging ein zweites Mal durch die Hölle, begriff aber erst dann das Ausmass der ganzen Geschichte. Seitdem kämpft sie für die Rechte von Menschen, die ähnliches durchgemacht haben.
«Im Namen des Anstands sterilisiert. Mit 18 wird Bernadette G. ungewollt schwanger. Ärzte diagnostizieren eine ‹abnorme Triebhaftigkeit›, setzen eine Abtreibung durch und sterilisieren das ‹schwierige Mädchen›. Noch 1972 war dies möglich.» NZZ am Sonntag
«Die Autorin hält sich im Text wohltuend zurück. Es ist Bernadette G., die spürbar ist – in den Begegnungen mit der Autorin, in autobiografischen Passagen, in Aktenstücken. Eine wahre Lebensgeschichte, authentisch erzählt.» St. Galler Tagblatt
«Ein happiges Buch. Würde der eigene Grossvater diese Geschichte erzählen, würde man vielleicht sagen: «Ja, das war halt so, damals.» Die 18jährige Bernadette G. wurde aber 1972 zur Abtreibung und Sterilisation gedrängt. Ungemütlich nahe an unserer Gegenwart.» Saiten
«Ein Buch, das aufwühlt, irritiert und Mut macht.» www.ostschweizerinnen.ch