Wer langsam geht, kommt weit
Ein halbes Jahrhundert Schweizer Entwicklungshilfe
Broschur
2010. 294 Seiten, 38 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1041-2
CHF 38.00 / EUR 31.00 
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Dieses Buch blickt auf ein halbes Jahrhundert Schweizer Entwicklungshilfe zurück und zieht Bilanz. Es beschreibt die Grundsätze und die Ziele sowie die Wege und die Akteure der Entwicklungszusammenarbeit. Der Autor thematisiert die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit, sei es auf dem Gebiet der Armutsbekämpfung, der Friedenspolitik, der Wahrung der Menschenrechte, der guten Regierungsführung oder der Förderung der Zivilgesellschaft, insbesondere der Stärkung der Frauenrechte. Zudem geben die Erfahrungsberichte von fünfzehn ehemaligen Schweizer Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfern Einblick in ihre persönliche Motivation sowie in vielfältige Formen ihres Engagements in unterschiedlichen Einsatzgebieten.
Das Buch richtet sich an eine breite Öffentlichkeit und antwortet auf das gestiegene Interesse an globalen Fragen und Entwicklungen. Der Autor umreisst die aktuellen Herausforderungen der Entwicklungspolitik und präsentiert Handlungsansätze für die Zukunft.

ist promovierter Historiker und Entwicklungsexperte. Er war von 2017 bis 2020 Schweizer Botschafter in Bangladesch.


Bücher im Chronos Verlag

Inhalt
Dort, wo wir stark sind, können wir am meisten bewirken: Geleitwort (Martin Dahinden, Direktor Deza)


EINLEITUNG

Viel erreicht – und noch viel zu tun: zu diesem Buch
Entwicklungspolitik im globalen Wandel: ein Überblick
Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz
* Ruth Dreifuss: Gegen das Auseinanderdriften der Kontinente


EINE KLEINE GESCHICHTE DER ENTWICKLUNGSPOLITIK

Die Pionierzeit (1950er/1960er Jahre)
* Rolf Wilhelm: Wir waren Praktiker, keine Experten
Projekthilfe – Entwicklungszusammenarbeit – Entwicklungspolitik (1970er Jahre)
* Thomas Raeber: Ein schöpferischer Entwicklungsbürokrat
Ein «verlorenes Jahrzehnt» (1980er Jahre)
* Hans Aschmann: «Sahib, tea is ready!»
Vom Nord-Süd-Konflikt zur Globalisierung (1990er Jahre)
Die Millenniums-Entwicklungsziele – ein Ende der Armut in Sicht?
Ausblick: Schliesst sich der Kreis?
* Jacques Forster: Entwicklungspolitik ist Weltinnenpolitik
* Marcel Heimo: Den Ärmsten helfen


WAS IST GUTE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT?

Armut bekämpfen

Burkina Faso: Mit Bildung zum Erfolg
Frauen verwirklichen Rechte
* Immita Cornaz: Die Menschen stehen im Mittelpunkt
Menschliche Entwicklung: Ein Politikwechsel zeigt Wirkung
* Jean-François Giovannini: Keine «Pflästerlipolitik»
Was wurde erreicht?
Empowerment – Die Menschen ermächtigen
* Martin Menzi: Zeit vor Geld

Menschenrechte fördern, Frieden sichern

Wegweisend für die Arbeit: Der Menschenrechtsansatz
Völkerrechtliche Normen und Standards
Konflikte lösen durch Partizipation
Frieden langfristig untermauern
Humanitäre Hilfe, die wirkt
* Serge Chappatte: Zusammenarbeit mit der Basis suchen
* Noa Zanolli: Entwicklung und Frieden gehören zusammen
* Martin Pallmann: Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht

Staat festigen, Gesellschaft stärken

Lokale Entwicklung und Dezentralisierung
Der Streit um die Rolle des Staates
Stille Revolution an der Basis
* Max Greco: Nicht auf jede Modewelle aufspringen
* Walter Fust: Die Hilfe darf nicht instrumentalisiert werden


RICHTIG EINGESETZTE HILFE FUNKTIONIERT

Die Kontroverse um die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe
Das Nicht-Messbare und das Un-Planbare
* Rudolf Dannecker: Abhängigkeit ist ein Hindernis für Partnerschaft
Engagiert bleiben! – Schlüssel zum Erfolg

Textauszug
«Am Anfang des vergangenen Jahrhunderts waren die Unterschiede zwischen den Erdteilen noch gering. Nun aber erkannten wir plötzlich diese unglaubliche Diskrepanz zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden. Alle Probleme hatten eine neue Dimension erhalten, man konnte sie nicht mehr isoliert betrachten. Das war der Hauptgedanke der Entwicklungszusammenarbeit.»
(Ruth Dreifuss) ,«Unsere Bemühungen sind von einflussreichen Interessen aus Politik und Wirtschaft immer wieder überrollt worden. Trotzdem ist es falsch, die Entwicklungszusammenarbeit als Alibiübung zu bezeichnen. Ein Vergleich zwischen der heutigen Situation und derjenigen vor vierzig oder fünfzig Jahren zeigt: Die Anstrengungen haben etwas gebracht. […] Die Entwicklungszusammenarbeit ist keine ‹Pflästerlipolitik›, die bloss die Wunden pflegt, welche die reichen Staaten den Armen zufügen.»
(Jean-François Giovannini),«Historisch gesehen war der Kalte Krieg der eigentliche Motor der Entwicklungszusammenarbeit. […] Dieselbe Verknüpfung von nation

Pressestimmen
«Vor dem 50. Geburtstag der heutigen Direktion für Entwicklungszusammenarbeit zieht Deza-Mitarbeiter René Holenstein differenziert Bilanz über das letzte halbe Jahrhundert und zeichnet die künftigen Herausforderungen. Dazwischen flicht er ein Dutzend interessante Porträts von schweizerischen Entwicklungshelfern, so von Ruth Dreifuss und Walter Fust.» Urs Rauber, Bücherbeilage NZZ am Sonntag

«Holenstein präsentiert ein spannendes, stellenweise gar faszinierend zu lesendes Buch mit einer gekonnten Mischung aus Analyse und Originalstimmen von EntwicklungsexpertInnen, das die bisherigen Publikationen zur Geschichte der Entwicklungspolitik und der Solidarität in der Schweiz ideal ergänzt und erweitert. Gerade für nichtspezialisierte Leserinnen und Leser bietet es einen konzisen Rückblick über die Geschichte der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit und einen engagierten Ausblick auf die kommenden Herausforderungen.» Konrad Kuhn, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 1/2011

«Seinem Anspruch, die Menschen ins Zentrum zu stellen, bleibt der Autor treu. 15 Erfahrungsberichte von Persönlichkeiten, welche die Deza-Geschichte prägten, lockern die beschreibenden und analytischen Teile auf. Machen sie lebendig und greifbar.» Pepo Hofstetter, work

«Dieses lebendige Stück Zeitgeschichte richtet sich an eine breite Öffentlichkeit und antwortet auf das gestiegene Interesse an globalen Fragen und Entwicklungen. Der Autor umreisst die aktuellen Herausforderungen der Entwicklungspolitik und präsentiert Handlungsansätze für die Zukunft.» KOFF, Kompetenzzentrum Friedensförderung

Besprechungen
Die Entwicklungszusammenarbeit befindet sich gegenwärtig in der Krise, sie kämpft mit Legitimationsproblemen und sieht sich einerseits einem schwindenden Interesse, andererseits einem wachsenden Aufgabenfeld gegenüber. Der Elan, der noch im Jahr 2000 mit der gemeinsamen Verabschiedung der Milleniums-Entwicklungsziele spürbar war, hat sich angesichts von schleppendem Wirtschaftswachstum, Finanz- und Ernährungskrise sowie zurückgehenden Handelschancen für die Entwicklungsländer verflüchtigt. Kaum jemand glaubt noch an die Erreichung der vereinbarten Entwicklungsziele. Dieser «Umbruch» (wie ihn Martin Dahinden als Leiter der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA im Vorwort bezeichnet) machte sich in den letzten Jahren auch in der Schweiz anlässlich von parlamentarischen Budgetdebatten und gehässigen Zeitungskommentaren bemerkbar. Damit kommt das vom langjährigen Entwicklungsexperten und Historiker René Holenstein geschriebene Buch zur richtigen Zeit und ist sowohl Bilanz bisheriger Entwicklungsbemühungen als auch Appell (S. 16) für weitere Entwicklungsanstrengungen. Holenstein erweist sich als Kenner der globalen Entwicklungsdiskussion und verfügt zudem über einen – bei Entwicklungspraktikern leider oft fehlenden – historischen Tiefenblick auf die Konjunkturen in der Entwicklungstheorie und deren helvetischen Umsetzungen in die Praxis der Entwicklungszusammenarbeit. Nach einer engagierten Einführung in die aktuelle entwicklungspolitische Debatte und die gegenwärtigen Herausforderungen der Entwicklungszusammenarbeit, skizziert der Autor die Schwerpunkte und Akteure der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, nicht ohne dabei deutlich zu monieren, dass die Schweiz weder ihre quantitativen Versprechen bezüglich Entwicklungsbudget einhält, noch über eine «Politikkohärenz» (S. 26) im Bereich der Steuer-, Handels- und Wirtschaftspolitik verfügt. In einem umfangreichen Überblickskapitel werden danach 50 Jahre Geschichte der Entwicklungspolitik in der Schweiz rekapituliert und für jedes Jahrzehnt die Charakteristika und Hauptthemen resümiert. Dabei liegt der Fokus auf der staatlichen Entwicklungshilfe der Schweiz, wobei spannende Querverweise auf globale Vorgänge wie die Verschuldung, den weltpolitischen Umbruch 1989/91 oder die Globalisierung «als Diagnose und Rezept zugleich » (S. 94) gemacht werden. Die Themenfelder, in denen «gute Entwicklungszusammenarbeit » (S. 113) Erfolge erzielten konnte, stehen im Zentrum des dritten Teils des Buches. So wird die Armutsbekämpfung mit konkreten Beispielen für erfolgreiche Bildungsprogramme, die Friedenspolitik und die gute Regierungsführung unter Wahrung der Menschenrechte vorgestellt, wobei stets reflektiert wird, wie die entsprechenden Entscheidungsprozesse und Prioritätensetzungen in der zuständigen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit zustande kamen. Zugleich kommen aber auch die Rückschläge und Krisen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit zur Sprache – so beispielsweise der Genozid im langjährigen Schwerpunktland Rwanda, der «Schweiz Afrikas» (S. 180). Stellenweise leidet in diesem Teil allerdings die Lesefreundlichkeit, indem der Text von Fach- und Modebegriffen wie «Empowerment», «Gouvernanz» oder «Partizipation» geprägt ist und die entwicklungsspezifischen Debatten eher technisch referiert werden. Dass in den letzten Jahren offenbar auch der Entwicklungsbegriff zunehmend verschwimmt, wenn von Demokratieförderung über Sicherheitspolitik bis zur «Schaffung einer stabilen Weltordnung» (S. 102) alles als Entwicklungszusammenarbeit subsumiert wird, wird in der mit konkreten Projektbeispielen angereicherten Schilderung durchaus auch kritisch angemerkt. Zum Schluss wird in einem Plädoyer die Überzeugung vertreten, dass richtig eingesetzte Hilfe allen Unkenrufen zum Trotz sinnvoll und wirksam sei. Holenstein gelingt es hier, pauschale Kritik zu entkräften und Felder zu skizzieren, in denen das schweizerische Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit eine erfolgreiche Zukunft hat. Den Rückblick über «ein halbes Jahrhundert Schweizer Entwicklungshilfe» – so der Untertitel des Buches – ergänzen 15 Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, welche die staatliche Entwicklungszusammenarbeit mitgeprägt haben. Hier kommen so unterschiedliche Personen wie die ehemalige Bundesrätin Ruth Dreifuss, die Entwicklungsexperten Jean-François Giovannini, Jacques Forster und Martin Menzi, der Brückenbaupionier Hans Aschmann, der Präsidentenberater Marcel Heimo oder der «schöpferische Entwicklungsbürokrat» Thomas Raeber (S. 68) zu Wort. Diese Gesprächsaufzeichnungen erlauben es, die sich wandelnde Problemwahrnehmung während der 1970er-Jahren nachzuverfolgen, als dependenztheoretische Modelle die bisherigen modernisierungstheoretischen Sichtweisen verdrängten. Leider ist gerade die Modernisierungstheorie mit zahlreichen Pionieren aus den Anfangsjahren der Entwicklungshilfe eher übervertreten, während dependenztheoretisch motivierte oder vom Ideal internationaler Solidarität angetriebene Exponentinnen aus den 1970er- und 1980er-Jahren zu kurz kommen. Entsprechend könnte der falsche Eindruck entstehen, Entwicklungspolitik sei in der Schweiz in den letzten fünf Jahrzehnten primär eine Sache von in der staatlichen Entwicklungsdirektion angestellten Männern mit Geburtsjahrgängen zwischen 1920 und 1940 gewesen. Auch um einer solchen Perspektive entgegenzuwirken, verdienen das zivilgesellschaftlich-entwicklungspolitische Engagement und deren Tiefenwirkungen in die schweizerische Gesellschaft ab Ende der 1960er-Jahre weitere Forschungsaufmerksamkeit. Es ist nämlich gerade die bisherige Dominanz der staatlichen Entwicklungsanstrengungen im Narrativ über die Geschichte der Entwicklungspolitik, die hier den Blick verstellt auf die Wechselwirkungen zwischen öffentlicher Akzeptanz und zivilgesellschaftlichem Engagement. Erst durch die praktische aber auch theoretische Arbeit und innenpolitische «Bewusstseinsbildung» der Hilfswerke, der entwicklungspolitischen Gruppen und später der Solidaritätskomitees ist – bei aller Umstrittenheit – jener Konsens geschaffen worden, der eine mittlerweile 50 Jahre dauernde Praxis aussenpolitischen Engagements der Schweiz motivierte. Holenstein präsentiert ein spannendes, stellenweise gar faszinierend zu lesendes Buch mit einer gekonnten Mischung aus Analyse und Originalstimmen von EntwicklungsexpertInnen, das die bisherigen Publikationen zur Geschichte der Entwicklungspolitik und der Solidarität in der Schweiz ideal ergänzt und erweitert. Gerade für nichtspezialisierte Leserinnen und Leser bietet es einen konzisen Rückblick über die Geschichte der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit und einen engagierten Ausblick auf die kommenden Herausforderungen. Mit einer nützlichen Chronologie, einer knappen Bibliografie und einem Personenverzeichnis liefert das Werk einen hilfreichen Einstieg in die Thematik und wirkt in diesem Sinne hoffentlich anregend auf weitere historische Forschungen über internationale Solidarität und entwicklungspolitisches Engagement. Wenn es darüber hinaus das Bewusstsein für die Probleme der Entwicklungsländer und für die Mitverantwortung der Schweiz stärken kann, hat es sein Ziel erreicht. Konrad J. Kuhn, Zürich
Schweizerische Zeitschrift für Geschichte