Dreiecksgeschichten
Die Schweizer Diplomatie, das «Dritte Reich» und die böhmischen Länder 1938–1945
Die Schweiz und der Osten Europas, Band 11
Gebunden
2003. 504 Seiten
ISBN 978-3-0340-0670-5
CHF 68.00 / EUR 44.80 
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Die sukzessive Zerstückelung der Tschechoslowakei 1938/39 durch das «Dritte Reich» offenbart die Herausforderung, der sich die Schweiz stellen musste, um ihre eigenen Interessen in den böhmischen Ländern zu wahren. Bundesrat und Parlament wussten sich in diplomatischer Pragmatik auf die europäische Gesamtsituation einzustellen. Gleichzeitig setzten Landesregierung und Wirtschaftsvertreter alles daran, den Handelsverkehr mit dem «Reichsgau Sudetenland» und dem «Protektorat Böhmen und Mähren» aufrecht zu erhalten. Weiter spielte die Schweizer Diplomatie eine bedeutende Rolle im zwischenstaatlichen Verkehr der Feindstaaten: Durch das alliierte Schutzmandat für ausländische Juden war insbesondere das Wissen um den nationalsozialistischen Vernichtungsprozess in hohem Mass vorhanden. Aufgrund zahlreicher neuer Quellen aus ausländischen Archiven kommt der Autor zum Schluss, dass der Einbezug der multinationalen Optik neue Aspekte bei der Beurteilung des nationalsozialistischen Besatzungsregimes ermöglicht. Denn gerade die Berichte der Schweizer Diplomaten belegen, dass die nationalsozialistische «Protektion» in Böhmen und Mähren eine allumfassende war, der sich die okkupierte tschechische Bevölkerung aus eigenen Kräften nicht entziehen konnte.

Daniel C. Schmid, Dr. phil., geb. 1970 in Bern, Studium der Geschichte und der Germanistik in Zürich und Prag. Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg, diverse Fachpublikationen.


Bücher im Chronos Verlag

Textauszug
«Gerade um die Zeit, als die Befreiung der 'Ostmark' sich jährte, war es hier nicht besonders ruhig. Am 14. März [1939] liefen zwei deutsche Studenten mit weissen Strümpfen am Graben und etliche Tschechen ihnen nach; aber zu richtigen Streitigkeiten kam es meines Wissens nach nicht. Das wurde von den Deutschen als Terror bezeichnet. Am Nachmittage dieses Tages erklärte sich die Slowakei für selbständig. Am Abend dieses nun aufregenden Tages fuhr der Staatspräsident Dr. Hácha nach Berlin. Schon dachten wir, was kommt morgen? Am nächsten Morgen ungefähr um sieben Uhr läutete das Telefon. Ich dachte: 'Was kann da los sein, dass jemand so früh anläutet? ' Der Papa kam zum Telefon. Es dauerte ziemlich lange, bis er fertig war; dann kamen er und die Mama zu uns. 'Die deutschen Truppen', sagten sie, 'kommen heute noch hierher'. Wir waren natürlich erstaunt und wussten nicht, was los sei. Erst als die Eltern wiederholten, verstanden wir, wie es gemeint sei. Wir waren ganz aufgeregt und sorgten für Weiterverbreitung.»