Bodywear
Geschichte der Trikotkleidung, 1850–2000
Interferenzen – Studien zur Kulturgeschichte der Technik, Band 19
Broschur
2012. 432 Seiten, 66 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1132-7
CHF 58.00 / EUR 52.00 
  • Kurztext
  • Autor/in
  • Einblick
  • In den Medien
  • Buchreihe
  • Downloads
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formierte sich die Wirkerei- und Strickereiindustrie als flexibler neuer Akteur auf dem entstehenden Fertig­kleidermarkt. In der Idealform des fabrikmässig organisierten Betriebs verbanden Trikotfabriken und mechanische Strickereien Stoffherstellung und Kleiderfertigung in einem Unternehmen. Unterkleider und Überzieher aus anschmiegsamem Maschenstoff waren anfänglich vor allem als Sportanzüge und Reformkleidung gefragt.
Das vorliegende Buch untersucht die Geschichte der Trikotkleidung am Beispiel der schweizerischen Wirkerei- und Strickereiindustrie, aus der international renommierte Underwear- und Lingerielabels wie Zimmerli, Hanro oder Calida hervorgegangen sind.
Anhand von ausgewählten Kleidtypen und Produktionsmustern zeichnet die Autorin die Karriere der Maschenwarenkleidung nach, vom weltweiten Fabrikantenhandel mit «swiss ribbed underwear» über die modeorientierte Produktion damenhafter Trikot-Eleganz bis hin zur funktionell angereicherten Bodywear des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Die Studie bringt technik- und unternehmensgeschichtliche, mode- und körperhistorische Kenntnisse zusammen und schildert die erfolgreiche Verbreitung maschinell gestrickter Kleidung als multi­faktoriellen, von Innovationen und Krisen begleiteten Prozess.

Monika Burri ist promovierte Historikerin und freischaffende Kulturjournalistin. Sie war über zehn Jahre an der Professur für Technikgeschichte der ETH Zürich tätig und arbeitet seit 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Staatsarchiv Aargau.


Bücher im Chronos Verlag

Inhalt
In Kleidern nackt. Eine Einleitung in die Geschichte der Trikotkleidung

I. Durchlüftung der bürgerlichen Garderobe – Trikotagen als Vorreiter einer bewegungsgerechten Bekleidungskultur

1. Von den «Hosenlismern» zur Wirkwarenindustrie. Trikotfabriken und mechanische Strickereien als neue Akteure auf dem Fertigkleidermarkt
Wirkerei und Strickerei, Trikot und Maschenwaren: Begriffsklärungen
«Hosenlismer» und Strumpfweber: ein historischer Überblick
Industrialisierung der Produktionsmittel
Die Anfänge der schweizerischen Trikotindustrie
Der Schweizerische Wirkerei-Verein (SWV)
Fabrikmässige Produktionsorganisation
Fertigkleiderfabrikation im 19. Jahrhundert

2. Abhärtungswäsche für den männlichen Leistungskörper. Das Wollsystem des Stuttgarter Heilpraktikers Gustav Jaeger
Kleiderreform als Lebensreform
Gustav Jaegers wissenschaftliche Tätigkeit
Wollkleidung als Gesundheitsregime
Das «Normaltrikothemd»
Die erfolgreiche Allianz von Trikotindustrie und Populärwissenschaft
Sport als Gebrauchsargument

3. Hemdhosen und Korsettüberzieher. Weibliche Unterkleidung zwischen Reformkleiddiskurs und Aussteuerkultur
Die bürgerliche Frauenkleidung
Stützwäsche als Medium der Geschlechterkonstruktion
Weisse Wäsche als Weiblichkeitsdomäne
Vorstösse zur Reformierung der Frauenkleidung
Vereinfachung der Unterkleidung
Strickkorsagen und Korsettüberzieher

4. Swiss ribbed underwear. Die schweizerische Feinstrickerei als innovative Exportindustrie
Von der Strumpfstrickerei zur Leibchenfabrikation
Produktinnovation swiss ribbed underwear
Aufschwung zur Weltindustrie
Themen der frühen Werbeunterlagen
Innovationsnetzwerke
Herausforderungen der Betriebsführung
Fabrikordnungen
Absatzpolitik als «Reiserei» mit dem Musterkoffer

5. Trikotagen als Vorreiter einer bewegungsgerechten Bekleidungskultur. Fazit


II. Zwischen Eleganz und Sexappeal – Trikot wird gesellschaftsfähig

1. Die Figur als Blickfang. Mode, Medien und Maschenwaren in der Zwischenkriegszeit
Das neue Bild der Frau
Modediskurs und Haute-Couture-System
Jerseykleider und Kunstseidenstrümpfe
Begradigung der Unterkleidung
Die Figur als Blickfang der Strickwarenpräsentation
Die mediale Herstellung des Schönheitsideals
Formfester Bekleidungsunterbau
Die «Wiederkehr der Weiblichkeit» in der Maschenwarenindustrie

2. Charmeuse-Wäsche. Die Allianz von Kunstseidenproduktion und Maschenwarenindustrie
Die Schweiz als Produktionsstandort der Kunstseidenindustrie
Genossenschaft der Kunstseideverbraucher in der Trikotagenbranche (GKT)
Die Allianz von Kettenstuhltechnologie und Kunstseidenproduktion
Damendessous aus Amriswil
Kunstseide als eigenständiges Garnmaterial
Endverbraucherorientierte Werbeaktivitäten
Forschungsfelder der Textilchemie
Koordination des Forschungsbedarfs
Texturierte Kräuselgarne

3. Sportanzüge und Badetrikots. Prototypen der körpernahen Second-Skin-Kleidung
«Sportgerecht» und «sportmässig»
Der sichtbar gemachte Körper als Signum moderner Selbsttechnologien
Schwimm- und Badekostüme aus Trikotstoff
Vom Seebad zum Strandbad
Gemischtgeschlechtliche Körperkultur
Erste Schweizer Bademodeschau
Der Trikotbadeanzug als Prototyp der Second-Skin-Kleidung
Textil- und werbetechnisches Experimentierfeld

4. Mode aus Maschenstoff. Betriebswirtschaftliche Herausforderungen
Konjunktureinbruch der Zwischenkriegszeit
Inlandorientierung und Markenpolitik
Ambivalenz der Modeproduktion
Rentabilität durch Kostenstudium
Verwissenschaftlichung der Produktionsorganisation

5. Trikot wird gesellschaftsfähig. Fazit


III. Aufstieg der Unterwäsche – Maschenwaren als zweite Haut des Fitnesskörpers

1. Leitbild Jugend. Synthetikfasern, Massenkonsum und Strickkleidung
Jugendmode, Popkultur und Fertigkleiderindustrie
Synthetikfasern als Grundstoff des Massenmodemarkts
Systematisierung der Konfektionsgrössen
Technisierung der Produktion

2. Pullover und T-Shirts. Maschenwaren als multifunktionale Allroundkleidung
Wirkwarenkonsum und Lebensstilentwicklung
Automobile Garderobe
Casual Wear und American Look
Geschmackskompetenz und «Jersey-Stil»
Public Relations des Schweizerischen Wirkerei-Vereins
Jugendliche Anti- und Kombinationsmode
Jeans-T-Shirt-Bequemkleidung

3. Slips und Pyjamas. Standardartikel für die Serienfabrikation
Der Slip als anatomiegerechte Schnittinnovation
Sortimentspolitik der Trikotfabrik Sallmann
Der Männerslip als Markenartikel
Händler- und Markenkommunikation
Differenz durch Veredelung
Professionalisierung der Werbesprache
Betriebswissenschaftliche Reorganisation
Solides Familiensortiment aus Sursee

4. Bodywear. Gestretchtes Anforderungsprofil der hautnahen Kleidung
Just-in-time-Produktion
Internationalisierung und Outsourcing
Emotionalisierung der Produktkommunikation
Lifestyle-Kollektionen
Unterkeidung als Oberkleidung
Der Körper als Bioaktie
Stretching und Stretchkleidung
Selbstmanagement mit Funktionstextilien
Bodyforming und Bodywear

5. Maschenwaren als zweite Haut des Fitnesskörpers. Fazit


Leitvision Second Skin. Fazit und Ausblick

Pressestimmen
«Calida Bodywear oder Hanro of Switzerland tragen Mann und Frau heute, ohne sich bewusst zu sein, dass diese Underwear- und Lingerie-Marken in einer Industrie fabriziert werden, deren Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Wer mehr über die Hintergründe dieser speziellen Textilprodukte erfahren will, nimmt mit Vorteil das auf einer Dissertation beruhende Buch «Bodywear» der Zürcher Historikerin und Kulturjournalistin Monika Burri zur Hand. Sie beleuchtet aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln die Entstehungsgeschichte der Trikot-Industrie, aus der Calida und Hanro hervorgegangen sind. […] Dieser reich bebilderte Tour d'Horizont zeigt, wie viel Geschichtsträchtiges selbst in einer simplen Unterhose stecken kann.» Sergio Aiolfi, Neue Zürcher Zeitung

«Die Passagen mit [Prof. Dr. Gustav] Jaegers kühnen Theorien zählen zu den amüsantesten in Monika Burris Sachbuch. Es ist gespickt mit allerhand Anekdoten, historischen Hintergründen und Randgeschichten rund um die Wirk- und Strickwarenindustrie, in der Prof. Dr. Jaeger eine wichtige Rolle spielen sollte. […] Das Thema indes geht direkt auf die Haut – nicht selten ertappt man sich bei der Lektüre dabei, wie man den Stoff des eigenen Oberteils zwischen Daumen und Zeigfinger nimmt und ihn sich ganz nahe unter die Augen hält, um zu überprüfen, ob da wohl auch Maschen zu erkennen sind.» Denise Jeitziner, Tages-Anzeiger

«Was wir heute als Unterwäsche auf dem Leib tragen, hat eine staunenswerte technische Entwicklung hinter sich; was daraus in den Kulturwissenschaften als Forschungsgegenstand wurde, ist mindestens so überraschend. […] Die Autorin untersucht anhand von führenden Textilfabrikanten der Schweiz das Universum der Trikotkleidung. Das technisch innovative Nachbarland ist dabei gut gewählt, die Aura seiner Markenprodukte strahlt seit langem global aus, nicht erst seit Hollywood-Schauspieler sonder Zahl sich in Schweizer Produkten zeigen.» Hannes Hintermeier, Frankfurter Allgemeine Zeitung

«Das besondere Verdienst dieser Studie ist es, die bisher in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang von Mode- und Technikgeschichte sowie ihrer Handelsgeschichte kaum erforschte Wirkerei- und Strickereiindustrie intensiv in den Blick genommen zu haben. Sie sollte daher grosse Beachtung in mehreren Disziplinen finden.» Marita Bombek, Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

«Ein anspruchsvoller, lesenswerter Schmöker. Wer sich darauf einlässt, weiss nachher viel zu erzählen über Kleidergrössen, Slips und Pyjamas.» Saldo

Die in dieser Reihe erscheinenden Studien untersuchen technische und wissenschaftliche Entwicklungen in der Neuzeit. Sie fragen nach dem historischen Entstehungskontext und gehen der Frage nach, inwiefern verschiedene soziale Gruppen diese technischen Entwicklungen als Möglichkeit sozialen Wandels wahrgenommen, ausgehandelt und bisweilen genutzt oder vergessen haben. Der Ansatz erlaubt es, Innovationen als technisch und gesellschaftlich voraussetzungsreiche Prozesse zu verstehen und zu erklären.