Zehnten statt Steuern
Das Scheitern der Ablösung von Zehnten und Grundzinsen in der Helvetik: Eine Analyse des Vollzugs der Grundlasten- und Steuergesetze am Beispiel des Kantons Thurgau
Broschur
1993. 311 Seiten
ISBN 978-3-905311-17-4
CHF 48.00 / EUR 27.00 
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Steuern sind heute eine Selbstverständlichkeit. Noch vor weniger als 200 Jahren jedoch bildeten sie die Ausnahme. Die öffentlichen Aufgaben wurden weitgehend durch jährliche Abgaben der Bauern von ihren bewirtschafteten Böden finanziert: durch Zehnten und Grundzinsen. Sie machten oft bis zu einem Viertel des Bruttoertrags aus, den das bebaute Land abwarf.
Die Helvetik (1798-1803), Schnittstelle zwischen alter und moderner Schweiz, brach gleichsam über Nacht mit dieser alten Ordnung. Die belasteten Bauern sollten von den alten Abgaben befreit und die Staatslasten mit indirekten und Vermögenssteuern finanziert werden. Von der heutigen Einkommenssteuer wurde damals noch gar nicht gesprochen.
Im Rahmen des sich entwickelnden liberalen Marktsystems hatten die helvetischen Gesetze ihre Richtigkeit. Die Abschaffung von Zehnten und Grundzinsen sollte es den Bauern ermöglichen, von nun an frei über ihren Boden zu verfügen. Die alten Lasten hemmten die Einführung neuer Kulturen wie Klee oder Kartoffeln und behinderten den Handel und die pfandrechtliche Belastung des Bodens. Durch die sich anbahnende Industrialisierung nahm der Anteil der bisher dominierenden bäuerlichen Bevölkerung ab, während Gewerbe und Handel wuchsen und sich langsam eine Arbeiterschaft heranbildete. In dieser Situation konnten die öffentlichen Aufgaben nicht mehr nur von den Bauern finanziert werden; die Lasten mussten - mittels Steuern - auf alle Schultern verteilt werden.
Am Beispiel des Kantons Thurgau zeigt das vorliegende Buch auf, weshalb die Ablösung von Zehnten und Grundzinsen und die Einführung von Steuern in der Helvetik scheiterten. Anschaulich und klar geschrieben, wird den Lesern und Leserinnen die schwierige Zeit der helvetischen Republik nähergebracht. Fremde Armeen hatten das Land besetzt, die politische Führung war schwach und die Wirtschaftskrise gross. Am Rande einer Hungersnot stehend, sollte dieses Land sich innert Kürze vom losen alten Staatenbund in einen Bundesstaat mit moderner Verwaltung verwandeln. Ein Unterfangen, das unter diesen Umständen zum Scheitern verurteilt war, den späteren Generationen jedoch Vorarbeiten von unschätzbarem Wert leistete.
Besprechungen
Hinweise auf Bücher Der Thurgau in der Helvetik stb. Mit der Helvetik (1798-1803) tut sich die schweizerische Geschichtswissenschaft noch immer recht schwer. Grund dafür ist allerdings kaum mehr die Tatsache, dass über dem damaligen Umbruch - dem vorweggenommenen Durchbruch zum modernen Staat - der Schatten ausländischer «Einmischung» in eidgenössische Angelegenheiten liegt. Nein; Probleme bereiten der historischen Forschung vor allem die Unübersichtlichkeit der Verhältnisse, der ständige Wechsel von Rechtserlassen, das Auseinanderklaffen von ehrgeizigen Programmen und bescheidenen Mitteln, teils auch mangelndem Willen zu deren Verwirklichung. Solchen Schwierigkeiten zum Trotz hat es nun der junge Thurgauer Historiker und Wirtschaftsredaktor Jakob Stark unternommen, einen besonders heiklen Helvetik-Aspekt am Beispiel seines Heimatkantons zu erhellen. Starks Thema ist das Ringen um die Ablösung der herkömmlichen Zehnten und Grundzinsen durch das zukunftweisende System von allgemeinen (indirekten und Vermögens-)Steuern. Der Buchtitel «Zehnten statt Steuern» fasst das Ergebnis zusammen: Im kurzen Zeitraum und unter den wirren Bedingungen der Helvetik gelang die zunächst offiziell dekretierte Ablösung noch nicht. Zur Bildung thurgauischen Selbst- und Staats-, Regions- und Subregionsbewusstseins freilich trugen die paar Jahre nachhaltig bei. Und spätestens seit 1836, zeigt Jakob Stark in seiner (Zürcher) Dissertation, galt auch im Thurgau die Devise «Steuern statt Zehnten». Jakob Stark: Zehnten statt Steuern. Das Scheitern der Ablösung von Zehnten und Grundzinsen in der Helvetik; eine Analyse des Vollzugs der Grundlasten- und Steuergesetze am Beispiel des Kantons Thurgau. Chronos-Verlag, Zürich 1993. 311 S., Fr. 48.-. Abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der NZZ. Neue Zürcher Zeitung FEUILLETON 05.02.1994 Nr. 30 24