Visionen, Volkshetze, Betrügereien

Der Weg zum modernen Steuerstaat am Beispiel der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft (1833–1928)

Gebunden
2017. 224 Seiten, 9 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1332-1
CHF 38.00 / EUR 34.00 
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Wer zahlt schon gerne Steuern? Gerade die Schweizer sind berühmt für ihre leidenschaftliche Abneigung, dem Staat zu geben, was er für sein Funktionieren einfordert. Man flucht, man stimmt nein, man wechselt den Wohnort oder hinterzieht. Im Ruf loyaler Steuerzahler standen die Eidgenossen nie. Dafür waren ihr Drang nach Freiheit und ihr instinktives Misstrauen gegenüber den Regierenden viel zu stark. Dennoch begann sich in der widerspenstigen Alpenrepublik ab dem 19. Jahrhundert ein staatliches Finanzierungsmodell durchzusetzen, das auf der direkten Besteuerung von Einkommen und Vermögen beruht und in der steuerpflichtigen Bevölkerung eine hohe Akzeptanz geniesst.
Vom langen Weg dorthin, von politischen Abwehrschlachten, Volksaufständen und Steuerskandalen, aber auch von Weitsicht, Visionen und Kompromissen handelt dieses Buch.
Um die Befindlichkeit des Schweizer Steuerzahlers zu ergründen und die Entstehung der modernen Besteuerungsgrundsätze zu rekonstruieren, lässt der Autor die beiden Extremfälle der nationalen Steuergeschichte aufeinanderprallen: Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Das reiche Handelszentrum sorgte 1840 europaweit für Aufsehen, weil die Basler Herrschaftsfamilien eine neuartige, progressive Abgabenordnung schufen, mit der sie sich selbst am stärksten zur Kasse baten. Die Baselbieter hingegen blieben hartnäckige Rebellen, die sich erst 1928 – als letzter eidgenössischer Stand – zu einem allgemeinen Steuergesetz durchzuringen vermochten.
An diesem und anderen Gegensätzen zwischen Basel und seinem früheren Untertanengebiet lassen sich die Entwicklung und die Eigenheiten des Schweizer Steuerstaats zum ersten Mal exemplarisch nachvollziehen.

Christian Keller (geb. 1982 in Basel) studierte Politikwissenschaften und Geschichte an der Universität Zürich. 2015 schloss er an der Universität Basel seine Doktorarbeit zur Entstehung des modernen Steuerstaates ab.

Inhalt

1. Einleitung

1.1. Steuergeschichte von Basel-Stadt und Baselland
1.2. Forschungsstand
- Steuergeschichte im internationalen Kontext
- Steuergeschichte der Schweiz
- Wegweisende Darstellung von Georg Schanz
- Steuergeschichte der beiden Basel
- Basel-Stadt
- Baselland
1.3. Fragestellung und Forschungsschwerpunkte
- Steuerpolitik
- Steuermentalität und Steuerwiderstand
- Steuerkontrolle
1.4. Theoretische Einbettung
1.5. Steuergeschichte in der Frühen Neuzeit
- Der Einfluss des Ancien Régime auf die Steuergeschichte der beiden Basel
- Das Abgabewesen vor und nach der Revolution

2. Steuergeschichte von Basel-Stadt und Baselland 1833–1928

2.1. Die Steuerpolitik von Basel-Stadt 1833–1890
- Basel-Stadt führt die progressive Einkommenssteuer ein
- Die Gründe für das europaweit moderne Steuergesetz
- Streit um die Progression
2.2. Die Steuerpolitik von Basel-Landschaft 1833–1892
- Widerstand gegen erste Besteuerungsversuche
- Die Auswirkungen der direkten Demokratie
- Über die Verfassungsrevision zur direkten Staatssteuer
2.3. Exkurs: Steuerzuschläge im Zeichen des Ersten Weltkriegs als Notlösung
- Steuerzuschläge in Basel-Stadt
- Steuerzuschläge in Basel-Landschaft
2.4. Die Steuerpolitik in Basel-Stadt und Basel-Landschaft nach 1900
- Die Steuergesetzvorlage von 1921 in Basel-Stadt im Zeichen des Klassenkampfes
- Der Gesetzes-entwurf der Regierung
- Bürgerliche Abwehrschlacht gegen das Steuergesetz
- Der Basler Steuerkompromiss
- Der lange Weg zum ersten allgemeinen Steuergesetz von 1928
- Der Triumph der politischen Linken
- Neue Akteure in der Steuerpolitik: Genossenschaften gegen die Detaillisten
- Der Baselbieter Steuerkompromiss von 1928
- Neue Wege in der Steuerpolitik beider Basel: Steuerbetrug und Steueramnestie

3. Steuermentalität und Steuerwiderstand

3.1. Steuermentalität in Basel-Stadt
- Basler Bürgerliche und Baselbieter Stimmvolk: gleiche Steuergesinnung
3.2. Steuermentalität in Basel-Landschaft
3.3. Die fünf Formen des Steuerwiderstands in den beiden Basel
- Direktdemokratische Instrumente
- Steuerflucht
- Erpressung
- Steuerumgehung
- Eidgenössische Kriegssteuer überführt Steuerhinterzieher
- Steuerverweigerung
- Der Baselbieter «Steuersturm» von 1920
- Die Petition von Pratteln
- Der «Steuersturm» im Landrat

4. Steuerkontrolle

4.1. Steuerbezug in Basel-Stadt 1800–1900
- Der Ausbau des Steuerzugriffs
- Grenzen der Steuerkontrolle
- Selbsttaxation versus Taxation
4.2. Steuerbezug in Baselland 1833–1900
- Seilziehen zwischen Kanton und Gemeinden
- Kampf gegen den Gemeindesteuer-Dschungel
4.3. Exkurs: Der Einfluss und die öffentliche Wahrnehmung der Steuerverwalter
4.4. Steuerbezug in Basel-Stadt und Baselland nach 1900
- Der Basler Steuerskandal von 1918
- Die Folgen des Basler Steuerskandals
- Steuerbürokratie Baselland: Professionalisierung und Personalaufstockung
- Strafaktionen gegen säumige Gemeinden
- Gemeindetaxation versus kantonale Taxation

5. Schlussbetrachtung

5.1. Steuerpolitik
- Steuerpolitik bis 1900
- Steuerpolitik nach 1900
5.2. Steuermentalität und Steuerwiderstand
5.3. Steuerkontrolle

6. Anhang

6.1. Zeittafel
6.2. Statistische Angaben

7. Bibliografie

7.1. Quellen
- Ungedruckte Quellen (219)
- Gedruckte Quellen (220)
7.2. Darstellungen


Pressestimmen

«Es ist eine hübsche kleine Fallstudie, die sich dennoch geschickt in große Entwicklungen einbettet. Es geht um die Entwicklung von Besteuerungssystemen vom 19. zum 20. Jh. in den beiden genannten Regionen.»

Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 106, 2019/2, Manfred Prisching

«Bien que l’on puisse parfois regretter un manque de détails et le sacrifice de quelques approfonsissements, le format de l’ouvrage et l’écriture rendent la lecture très vivante et agréable. Dans l’ensemble, ce travail, fondé sur des sources riches et originales, ouvre des pistes très stimulantes non seulement pour l’histoire de la fiscalité en Suisse, mais aussi pour l’histoire générale des deux cantons, de l’administration et de l’Etat.»

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 68/1, 2018, Sylvain Praz