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Almosen und Allmenden
Verarmung und Rückständigkeit in der Urner Marktgenossenschaft 1798–1848
Broschur
1994. 283 Seiten
ISBN 978-3-905311-57-0
CHF 48.00 / EUR 27.00 
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Almosen und Allmenden» vermittelt tiefe Einblicke in die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse des Kantons Uri von 1798-1848. Welchen Weg geht der durch institutionelle und konfessionelle Geschlossenheit und ausgesprochen traditionell orientierte ökonomische Strukturen sich auszeichnende Kanton Uri? Wie erleben Urnerinnen und Urner die innerhalb zweier Generationen stattfindenden Umwälzungen vom Ancien régime zur modernen Schweiz?
Schon im 18. Jahrhundert besteht ein Entwicklungsgefälle zu dynamischeren Regionenen des Hirtenlandes, da rechtlich-institutionelle Verhältnisse wirtschaftliche Neuerungen verhindern. Das Buch analysiert und beschreibt, wie sich der Verarmungsprozess in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschärft. Zunächst werden Bedingungen und Entwicklungen thematisiert, die in ihrer kumulativen Wirkung die Untersuchungsperiode nachhaltig prägen: Kriegselend der Helvetik, Häufung von Naturkatastrophen, Strukturwandel in Transport und Solddienst, Bevölkerungsentwicklung. Der zweite Teil ist ganz der Urner Markgenossenschaft gewidmet, die bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als wirtschaftlicher und politischer Verband zugleich alle Lebensbereiche durchdringt. Der letzte Teil der Arbeit untersucht konkret-individuelle Überlebensstrategien und schliesst mit einer Fallstudie über die Transporte unehelicher Kinder nach Mailand.
Pressestimmen
PHILIPP ARNOLD ALMOSEN UND ALLMENDEN VERARMUNG UND RÜCKSTÄNDIGKEIT IN DER URNER MARKGENOSSENSCHAFT 1798-1848 CHRONOS, ZÜRICH 1994, 283 S., FR. 48.- Nach Urs Kälins Buch über die Magistratenfamilien im Kanton Uri während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts liegt nun eine weitere Publikation mit urnerischer Thematik über denselben Zeitraum vor. Philipp Arnold befasst sich mit der Markgenossenschaft und deren Auswirkungen auf die sozioökonomische Situation der Bevölkerung. Unter der Urner Markgenossenschaft ist dabei nicht nur eine Organisation zu verstehen, die die wichtigsten wirtschaftlichen Ressourcen (Allmenden) inne hat; sie ist zugleich auch Staatswesen. Obgleich sie ihren Mitgliedern wirtschaftliche und politische Gleichberechtigung bietet, lässt sich daraus nicht einfach auf eine egalitäre Gesellschaft schliessen. Philipp Arnold zeigt auf, dass sich die bis in die heutige Zeit gängige Behauptung, die Organisation der Markgenossenschaft habe Uri weitestgehend vor Armut bewahrt, nicht mehr halten lässt. Zunächst geht Arnold auf verschiedene Faktoren ein, die in Uri Wirtschaft, Sozialleben und Politik massgeblich bestimmten und auf die von den UrnerInnen her nur bedingt Einfluss ausgeübt werden konnte. Es sind dies die Folgen der Besatzung durch ausländische Truppen während der Helvetik, die Veränderungen beim Transit (allmähliches Verschwinden des traditionellen Säumergewerbes) und beim Solddienst (nachlassendes Interesse an Söldnertruppen) sowie die Auswirkungen verschiedener Naturkatastrophen und einer beträchtlichen Bevölkerungszunahme. Diese verschiedenen Komponenten werden jeweils in Form eines Abrisses dargestellt und sind wichtig zum Vorverständnis für den Hauptteil des Buchs. Darin nun wird ausführlich auf die Markgenossenschaft sowie auf die Prägung der Lebens- und Produktionsverhältnisse durch sie eingegangen. In Uri war auch in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts der Mehrteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt. Diese war gekennzeichnet durch eine grosse Anzahl von Kleinbetrieben, die mehr oder weniger ausschliesslich für den Eigenbedarf produzierten. Besonders diese Betriebe waren, da sie über zu wenig eigenes Land verfügten, auf die kollektive Nutzung der Allmenden angewiesen. Dies bewirkte einerseits, dass die Markgenossenschaft als Verwalterin des Allmendguts Rückhalt bei einem Grossteil der Bevölkerung genoss. Andererseits verleitete aber gerade diese weitverbreitete Abhängigkeit von Allmendland zu einem breit abgestützten Festhalten an den herkömmlichen Strukturen. Vorhaben wie eine Allmendteilung, die eine effizientere Bewirtschaftung erlaubt, aber zugleich auch die kollektive Nutzung beeinträchtigt hätte, waren daher stets zum Scheitern verurteilt. Auch die urnerische Machtelite sowie die kirchlichen Instanzen zeigten kein Interesse für Veränderungen; allzu sehr war deren Einflussnahme mit dem traditionellen System verkettet. So blieb die Käseproduktion ebenso wie die Viehzucht im Vergleich mit Nachbarregionen rückständig, und eine Industrie als Alternative zur Landwirtschaft konnte sich nicht herausbilden. Da sich die Bevölkerung Uris im Untersuchungszeitraum noch beträchtlich vergrösserte, musste dies Konsequenzen haben: Die Landzerstückelung wie die Verschuldung einzelner Betriebe nahm zu und damit auch die Pauperisierung. Verschiedene Naturkatastrophen wie die andern oben erwähnten Faktoren verstärkten diesen Prozess noch in erheblichem Masse. Die Markgenossenschaft reagierte mit einer rigiden Abschottungspolitik gegenüber Aussenstehenden und mit einer vermehrten Abgabe von Allmendlandgärten an Bedürftige, doch konnte sie damit diese Entwicklung nur bedingt beeinflussen. Auch die Armenfürsorge, die sich in diesem Zeitraum langsam institutionalisierte, vermochte gegen die sich ausbreitende Armut kaum etwas auszurichten, da ihr zuwenig Mittel zur Verfügung standen. Diese prekären Verhältnisse führten aber nicht zu Unmutsäusserungen gegen die urnerische Machtelite. Nach Arnold kam hier die integrierende Wirkung der Markgenossenschaft, aber auch der vielfältigen Abhängigkeitsverhältnisse (bedingt vor allem durch die hohe Verschuldung) und der religiösen Alltagspraxis (u.a. klerikale Propagierung eines Obrigkeitsglaubens) voll zum Tragen. Arnolds Arbeit gibt meines Erachtens einen guten Einblick in die sozioökonomische Situation der Urner Bevölkerung während den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Es ist ihm auch gelungen, das Geflecht von Wechselwirkungen verschiedenster Determinanten aufzuzeigen. Das Einzige, was nicht so ganz zu überzeugen vermag, ist die Strukturierung der Arbeit. So besteht etwa Teil II («Markgenossenschaft») aus einer ganzen Anzahl von Kapiteln, die alle gleichwertig nebeneinander stehen, was zur Folge hat, dass vom Inhalt her sehr unterschiedlich gewichtige Themen auf derselben Ebene behandelt werden. Beispielsweise befindet sich das Kapitel «Der Fall Breitschmid» (wo die Auswirkungen der Ausgrenzungspolitik an einem Fall geschildert werden) auf derselben Stufe wie das Kapitel «Armenwesen und Armenpolitik» oder wie jenes über die «Bedeutung der Landwirtschaft». Freilich sind diese Kapitel nach einer bestimmten Logik angeordnet und ebenso ist Arnolds Anliegen, Querverbindungen möglichst nicht zu zerschneiden, ernst zu nehmen, doch scheint mir, dass hier eine stärkere hierarchische Gliederung zu einer besseren Übersichtlichkeit geführt hätte. Im weiteren sind die Zwischentitel teils so eng hintereinander gesetzt (besonders im Kapitel «Transit» in Teil I), dass sie den Erzählfluss unnötig beeinträchtigen. Etwas irritierend wirkt zudem das Kapitel über die Transporte von unehelichen Kindern nach Mailand in Teil III am Schluss der Arbeit. Da schon von der Thematik her nicht so ohne weiteres ein Zusammenhang mit dem Hauptinteresse des Buchs ersichtlich ist, hätten die Verbindungslinien unbedingt stärker herausgearbeitet werden müssen. Trotz dieser Einwände finde ich, dass das Buch von Philipp Arnold einen wichtigen Beitrag leistet, um der zum Teil bis heute anhaltenden Verklärung des «Hirtenlandes» entgegenzuwirken. Ebenso wird die oft damit in Zusammenhang gebrachte «Volksdemokratie» einer kritischen Würdigung unterzogen. Edwin Pfaffen (Basel) Traverse 1995/1 (155-156)