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«Sanft wie eine Taube, klug wie eine Schlange, verschwiegen wie ein Grab …»
Frauen im schweizerischen Telegrafen- und Telefonwesen 1870–1914
Broschur
1992. 319 Seiten, 31 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-905278-96-5
CHF 38.00 / EUR 21.50 
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Seit der Eröffnung der ersten Telefonnetze in der Schweiz 1881 ist der Arbeitsbereich der Telefonistin ein «Frauenberuf» par excellence. Aufgrund ihres Geschlechtes, das heisst den ihnen zugeschriebenen Wesens- und Charaktereigenschaften, wurden die Frauen, unverheiratet und meist aus dem Mittelstand stammend, für diese Tätigkeit auserkoren. Relativ schlecht bezahlt und ohne Aufstiegschancen, erwuchs den Frauen in diesem Berufsfeld keine Konkurrenz seitens der Männer. Anders dagegen im Telegrafenbereich: Die bessere Ausbildung und Entlöhnung sowie der Beamtenstatus riefen hier die Männer auf den Plan, die Frauen wurden nurmehr als «Gehülfinnen» beschäftigt.
Die Autorinnen stellen die Hintergründe und Ausprägungen dieser weiblichen Arbeitsdomäne eindrücklich dar und stellen sie in einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang.
Auch Betroffene selbst - Frauen, die im Zeitraum von 1920 bis 1960 im Telefondienst standen - kommen zu Wort. Sie stufen ihren Beruf rückblickend als interessant und deshalb als attraktiv ein, weil er ihnen nach kurzer Ausbildungszeit eine selbständige und sichere Existenz ermöglichte.
Pressestimmen
YVONNE BÜHLMANN, KATHRIN ZATTI SANFT WIE EINE TAUBE, KLUG WIE EINE SCHLANGE UND VERSCHWIEGEN WIE EIN GRAB... FRAUEN IM SCHWEIZERISCHEN TELEGRAFEN- UND TELEFONWESEN 1870-1914 CHRONOS VERLAG, ZÜRICH 1992, 319 S., 31 ABB. FR. 38.- 1995 soll das Gesetz zur Gleichstellung von Frau und Mann am Arbeitsplatz in Kraft treten. Damit wäre sozusagen ein Jahrhundert der offensiven Diskriminierung der Frauen beendet, und es würde den Betroffenen ermöglicht, rechtlich gegen die ArbeitgeberInnen vorzugehen. Das geplante Gesetz und seine erhofften Auswirkungen sind besonders interessant vor dem Hintergrund der These, die Yvonne Bühlmann und Kathrin Zatti aus ihrer Dissertation über Frauen im schweizerischen Telegrafen- und Telefonwesen 1870 bis 1914 gewonnen haben: der Staat habe nämlich in seinem Umgang mit den weiblichen Angestellten eine Leitbildfunktion für andere ArbeitgeberInnen eingenommen. Inwiefern sein Vorgehen Auswirkungen auf die Gestaltung privatwirtschaftlicher Arbeitsverhältnisse hatte, wird von den beiden Zürcher Historikerinnen zwar nicht verfolgt. Was Bühlmann und Zatti aber an internen Verwaltungsdiskussionen und an handfesten Massnahmen dokumentieren, zeigt die Taktik eines an Ausbeutung interessierten und gleichzeitig von geschlechterideologischen Überlegungen geleiteten Arbeitgebers. Einerseits wurden Telegrafenbeamtinnen, die anfänglich neben Männern gleichberechtigt angestellt und entlöhnt worden waren, schrittweise und mit rechtlichen Sonderregelungen aus ihrer Position verdrängt, anderseits wurde mit der Telefonistin, die Gespräche vermittelte, ein reiner Frauenberuf geschaffen, der alle üblichen Merkmale der Unterprivilegierung aufweist. 1995 tritt also - so schliesse ich aus der Untersuchung - ein Gesetz in Kraft, an dessen Notwendigkeit der Staat als Arbeitgeber und Vorbild mitverantwortlich ist. Die Studie setzt mit der Betrachtung der Telegrafenbüros ein, die 1867 infolge einer Reduktion der Telegrammtaxen unbedingt mehr Personal brauchten. Das eröffnete Frauen die Möglichkeit, als provisorische Telegrafengehilfinnen - zwischen 1870 und 1888 sogar als ausgebildete Beamtinnen - beim Staat zu arbeiten. Mit Inbetriebnahme der Telefonnetze 1881 entstand der Beruf der Telefonistin, der von Anfang an als reiner Frauenberuf konzipiert war. Eine ausführliche Darstellung des Arbeitsinhaltes und der Arbeitsbedingungen liefert einen guten Einblick in den Arbeitsalltag der angestellten Frauen. Neben Belästigungen und Frauenfeindlichkeiten von seiten der Mitarbeiter wie auch der Kundschaft werden in diesem Teil auch die Arbeitsverrichtungen und deren Gefahren behandelt. Zu den anfänglich noch sehr unvollkommen eingerichteten Büros, die schlecht geheizt und schlecht gelüftet waren, kamen Gefährdungen anderer Art hinzu: die Telefonistinnen standen bei Gewittern in Gefahr, elektrische Schläge zu bekommen. Bei schweren Unfällen konnte lebenslängliche Invalidität die Folge sein. Im zweiten Teil verfolgen Bühlmann und Zatti die schrittweise Ausbildung einer spezifischen Frauen-Arbeitsstruktur sowohl bei den Beamtinnen, deren Lohn gesetzlich um 400 Fr. tiefer als jener der Männer angesetzt wurde, als auch bei Telefonistinnen, die bei allfälliger Heirat zugunsten der nachrückenden jungen Frauen ihren Arbeitsplatz aufgeben mussten. So garantierte man(n) eine hohe Fluktuationsrate. Allerdings waren die Entscheidungen der Verwaltung immer auch geprägt von Auseinandersetzungen mit dem männlichen Personal. Auch hier fand das übliche Tauziehen zwischen den ökonomischen Interessen des Kaders und der Konkurrenzangst des Personals statt. Der Effekt, den diese Diskussionen und ihre Auswirkungen für die von Frauen besetzten Stellen hatten, formiert sich um den Begriff «Berufsstand weiblich», den Bühlmann und Zatti von der deutschen Historikerin Ursula Nienhaus übernommen haben: die Verdrängung von Frauen auf Posten von Hilfsarbeitscharakter. Geschlechterideologische Überhöhung schlecht bezahlter Arbeit und mangelnde Vergleichbarkeit mit Männerarbeit sind charakteristisch für diesen «Berufsstand», der sozusagen funktionsübergreifend Frauen als einheitliche Kategorie in der Arbeitswelt wahrnimmt. Bühlmann/Zatti zeigen, wie weibliche Arbeit stufenweise abgewertet wurde und wie sich männliche Sichtweisen immer wieder in spezifischen Formen der Arbeitsorganisation für Frauen niedergeschlagen haben, die das Vorurteil wiederum bestätigten. In einem dem zweiten Teil angehängten Kapitel wird versucht, mit Hilfe mündlicher Quellen Rückschlüsse auf die Wahrnehmung und das Selbstbild der Telefonistinnen zu ziehen. Der methodisch nicht allzu gut reflektierte Einbezug von «Oral History» bringt jedoch wenig verbindliche Erkenntnisse und stellt für mich einen ungereimten Teil in der ansonsten gut aufgebauten und erzählten Untersuchung dar. Im dritten und letzten Teil gehen die Autorinnen explizit auf andere Untersuchungen zu weiblicher Erwerbsarbeit ein. Die männliche Normbiographie als Massstab, die Arbeit nicht erfasst, wenn sie nicht lebenslänglich und vollberuflich strukturiert ist, wird als Ursache für die statistische Diskriminierung weiblicher Erwerbstätigkeit genannt. Als Kontext der Frauenarbeit werden der soziale Hintergrund und der Zivilstand eingeführt. Die Studie schliesst mit einer Kritik an bisherigen schweizerischen Arbeiten zu weiblicher Erwerbstätigkeit und Angestellten. Während die Einbettung in die sozialgeschichtlichen Hintergründe etwas zu kurz kommt, und vor allem der Aspekt der Schichtzugehörigkeit der beim Staat angestellten Frauen erst sehr spät und meiner Ansicht nach nicht immer hinreichend thematisiert wird, ist der Aspekt der geschlechterideologischen Diskussion der Frauenarbeit hervorragend einbezogen. Der Dissertation gelingt es, zwei ursprünglich von der Struktur her widersprüchliche und sehr unterschiedliche Arbeitsfelder unter einem Aspekt zu vergleichen. Damit wird die Arbeit von Bühlmann und Zatti zur Fallstudie für die Herausbildung des «Berufstandes weiblich». Lilian Räber (Zürich) Traverse 1994/1 (164-165)