Dokumente des 13. bis 20. Jahrhunderts aus dem Stadtarchiv St. Gallen

Interaktive Leseübungen und Kommentare

Edition Ad fontes: Quellen aus Archiven und Bibliotheken
CD-ROM
2006.
ISBN 978-3-0340-0845-7
CHF 28.00 / EUR 18.00 
Vergriffen
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Entziffern Sie das älteste St. Galler Bratwurstrezept aus dem 15. Jahrhundert oder den Steckbrief der «letzten Hexe» Anna Göldin!
Anhand von 15 ausgewählten Originalquellen aus dem St. Galler Stadtarchiv können Sie das Lesen und Transkribieren historischer Archivhandschriften üben. Die interaktiven Funktionen der Übungen erleichtern dabei den Lernprozess. Ausführliche Kommentare erläutern die einzelnen Quellenstücke und ermöglichen so ein vertieftes historisches Verständnis.


Studium der Allgemeinen Geschichte, der Historischen Hilfswissenschaften und des Staatsrechts an der Universität Zürich; Doktorat an der Universität Augsburg, parallel dazu Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stadtarchiv der Ortsbürger­gemeinde St. Gallen.


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Pressestimmen

«Insgesamt gelingt es bei beiden CDs, paläographisches Üben und inhaltliches Lernen geschickt und motivierend zu verknüpfen. Die Publikation ist damit sowohl für den Unterricht an Schulen [...] als auch für den universitären Bereich – sei es für archivkundliche oder inhaltlich entsprechend fokussierte Veranstaltungen – gut geeignet.»
Christoph Schäfer, H-Soz-u-Kult


«Sie bieten für Laien, für Lokalhistoriker wie für Studierende der Geschichte didaktisch geschickt aufbereitete Einführungen und Lernmaterialien, die ‹Lust auf Archiv› entstehen lassen und die es nicht zuletzt auch einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren gälte, um zu zeigen, wie wichtig die historischen Bestände und der wissenschaftliche Auftrag der Archive sind.»
Dorothee Rippmann, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte


Besprechungen

Noch immer ist die Vorstellung in der breiten Öffentlichkeit verankert, es handle sich bei Archiven um verstaubte, bürokratische Institutionen, zu denen nur auserwählte Besucherkreise Zutritt haben. Das Archiv übt eine gewisse Aura des Unerreichbaren aus. So erstaunt es nicht, dass manche an­gehende HistorikerInnen und historisch Interessierte Respekt vor dem Gang ins Archiv haben. Die Furcht vor komplizierten Suchmitteln und Handschriften, die kaum entzifferbar sind, schreckt viele von diesem Schritt ab. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Originaldokumenten ist jedoch unabdingbar. Quelleneditionen sind zwar leichter zugänglich und schnell rezipierbar, sie sind aber immer sehr selektiv angelegt. Nicht edierte Quellen fallen bei einseitiger Konsultation von Editionen gänzlich aus dem Rahmen, genauso wie Fragen, die über den Textinhalt hinausgehen, wie zum Beispiel die materielle Beschaffenheit eines Dokuments.
Die hier besprochene Software möchte gerade diese Hemmschwellen abbauen und richtet sich nicht nur an ein Fachpublikum, sondern an einen breiteren Kreis von Interessierten. Ziel ist es, die Benutzer anhand von 15 ausgewählten Originalquellen aus dem Stadtarchiv St. Gallen das Lesen und Transkribieren von Handschriften üben zu lassen. Die 15 Übungsbeispiele erstrecken sich über die Jahre 1277–1914. Handschriften aus unterschiedlichen Epochen können somit mit ihren jeweiligen Spezifika kennengelernt und entziffert werden. Kaiserurkunden, Güterverschreibungsurkunden, Briefe aber auch schlichte Protokolleinträge gilt es zu transkribieren. Das Training steht zwar im Zentrum, die Dokumente selber sowie knappe und prägnante Kommentare vermitteln jedoch weitere nützliche, teils amüsante Informa­tionen zur Geschichte des Archivs, der Stadt St. Gallen und zu gesellschaftlichen Phänomenen vergangener Zeiten: Wer hätte gedacht, dass das Rezept der traditionellen OLMA-Bratwürste bis ins Jahr 1438 zurückreicht. Die Regulierung der Wurstproduktion weist neben marktorientierten Hintergründen auf ein bereits hohes Qualitätsbedürfnis der St. Galler Obrigkeit hin. So musste schon im 15. Jahrhundert neben Schweinefleisch auch zartes Kalbfleisch verwurstet werden.
Die «letzte Hexe» Anna Göldin wurde 1782 schweizweit per Steckbrief gesucht. Anhand dieser detaillierten Beschreibung von Anna Göldin erhält man zusätzlich einen Einblick in die damalige Mode. Aus den Quellenbeispielen erfährt man unter anderem weiter, dass 1528 eine Ehe in der Regel per Handschlag besiegelt wurde, die Menschen den Wolf schon im Spät­mittelalter als ernsthafte Bedrohung für die Landwirtschaft empfanden und dass 1902 ein Automobilrennen (mit Dampfwagen) durch halb Europa, inklusive St. Gallen, stattgefunden hat.
Die in der von Andreas Kränzle und Gerold Ritter herausgegebenen Reihe Edition Ad fontes: Quellen aus Archiven und Bibliotheken erschienene Software hält sich bezüglich Struktur und Funktion eng an ihr im Internet zugängliches preis­gekröntes Mutterprogramm Ad fontes. Sowohl auf PC (Windows 98, ME, 2000, XP) als auch auf Mac (OS 9.2, Os X 10.2 oder höher) lässt sich die Software vom Inter­net unabhängig nutzen. Eine Installation erübrigt sich, nach dem Einlegen der CD ins Laufwerk startet das Programm automatisch und öffnet die Tore zum virtuellen Archiv. Die Handhabung der Software ist einfach. Gewöhnungsbedürftig ist lediglich die Zurück-Funktion, denn anders als zum Beispiel auf einem Internetbrowser gelangt man nicht auf die zuletzt angeschaute Seite, sondern auf die vorhergehende Seite des gesamten Kapitels. Merkzeichen ermöglichen jedoch das Wechseln zwischen den zuletzt angeschauten Seiten. Die über­sichtlich gestaltete Startseite weist auf zusätzliche Informationsmöglich­kei­ten hin. Ein besonders nützliches Kapi­tel stellen die Transkriptionsregeln dar. Hier werden den Benutzern anhand von Quellenbei­spielen die wichtigsten Regeln in Kürze näher gebracht. Erläutert werden unter anderem die Handhabung von Zeilenumbrüchen, Interpunktion, Wie­der­gabe von hoch­gestellten Buch­staben und Zeichen oder die Auflösung von Abkürzungen. Gerade bei letztgenannten wären zusätzliche Informationen zu häufig verwendeten Abkürzungen hilfreich gewesen. Masse, Münzen und Abkürzungen stellen bei Transkriptionen immer wieder eine Herausforderung dar. Deshalb wäre es wünschenswert, man hätte im Programm, ähnlich wie in der Internetversion, eine ausführliche Sammlung im Stile eines «Nachschlagewerks» im Anhang bereit gestellt.
Ein weiteres Kapitel enthält einschlä­gige Literaturhinweise zum Stadtarchiv und den einzelnen Dokumenten aus den Übungen. In knappen Ausführungen wird im Kapitel «Über das Archiv» die Geschichte der Stadt St. Gallen und des Stadtarchivs wiedergegeben. Die Texte sind bewusst kurz gehalten, bringen aber die wichtigsten Elemente auf den Punkt. Sie sind auch für einen Laien leicht verständlich.
Alle 15 Originalquellen können individuell zur Bearbeitung ausgewählt werden. Längere Texte werden etappenweise transkribiert. Den transkribierten Text gibt man direkt ins Eingabefeld unter dem jeweiligen Dokument ein. Mit einer Zoomfunktion lässt sich der Originaltext aus nächster Nähe betrachten. Hilfreich wäre, wenn man die Zoomfunktion permanent beibehalten könnte, da sich die Handschriften vergrössert viel besser entziffern lassen. Wer mit der Transkription Mühe hat, dem stehen jederzeit Tipps oder gar Transkriptionslösungen zur Verfügung. Eindeutig mehr Spass macht es aber, den Text ohne Hilfe zu transkribieren und sich ganz am Schluss von der Eingabeprüfung überraschen zu lassen. Jedes fehlerhaft transkribierte Wort wird mit roter Farbe gekennzeichnet. Ist der Text einmal erfolgreich transkribiert, erhält man zusätzlich historische Hintergrundinformationen zum Dokument sowie nützliche Erläuterungen (zum Beispiel Übersetzungen) zum Text. Einmal eingegebene Transkriptionen bleiben im jeweiligen Textfeld gespeichert.
Bis auf wenige angesprochene Desiderate erfüllt die Software ihr angestrebtes Ziel sehr gut: Das Lesen und Transkribieren von Originalhandschriften aus verschiednen Epochen kann auf spielerische und zugleich informative Art und Weise geübt werden. Weiter gelingt es, das Stadtarchiv St. Gallen und einige Highlights aus seinen reichen Beständen vorzustellen.
Die Software eignet sich nicht nur für Interessierte, die sich auf einen Archiv­besuch vorbereiten wollen. Auch «Fort­geschrittene» können vom Programm profitieren. Es bietet eine spannende Sammlung von Handschriften aus unterschiedlichen Epochen und bekanntlich macht erst Übung den Meister.

Ralph A. Ruch (Zürich) in Traverse 2009/1