Priester der Volksbildung

Der Professionalisierungsprozess der Zürcher Volksschullehrkräfte zwischen 1770 und 1914

Broschur
2007. 500 Seiten
ISBN 978-3-0340-0799-3
CHF 68.00 / EUR 44.80 
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Sein Schulmeister betreibe kein Gewerbe oder Handwerk, worunter die Schularbeit leiden müsse, berichtete der Pfarrer von Erlenbach in einer gross angelegten Enquete zum Zürcher Landschulwesen von 1771, «es wäre dann, dass er für einige Augenblicke unter der Schulzeit Holz hauet für die Schule, Vieh fütteret, Wasser holet oder gschwind einen auslauft in die Reben, oder Holz waget, so doch sehr selten geschiehet». Dreissig Jahre später hatten sich die Nebenerwerbe der Zürcher Landschulmeister deutlich reduziert; die Schulmeister arbeiteten länger in der Schule und verdienten mehr. Dabei hatte sich die Lohndifferenz zwischen Filial- und Hauptschulmeistern klar verkleinert. Wiederum dreissig Jahre später wurde ihre inhaltliche Tätigkeit vereinheitlicht durch die Institutionalisierung des Seminars, die gesetzliche Vorgabe der Unterrichtsinhalte und die Erarbeitung säkularisierter Lehrmittel. Bis 1914 wurde die seminaristische Ausbildung kontinuierlich ausgebaut, eine Akademisierung scheiterte 1872 knapp. Dieser Destratifikationsprozess, Teil einer bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert einsetzenden Professionalisierung der Lehrkräfte, wurde begleitet von der sozialen Bedeutungszunahme schulischer Elementarbildung.
Dass die Primarlehrkräfte eine vollständige Professionalisierung nicht erreichten, galt als Ausgangspunkt der Studie. Die Relevanz der Anwendung der Theorie liegt nun darin, dass sie den Blick auf die übrigen beteiligten Akteure lenkt und damit auch verdeutlicht, dass Professionalisierungsprozesse durch die fortschreitende Demokratisierung der Gesellschaft begrenzt werden.

Inhalt

1. Einleitung

2. Schulmeister zu Beginn der 1770er Jahre
2. 1. Beruflicher Status
2. 2. Die Schulmeister im Geflecht ländlicher Arbeitsstrukturen
2. 3. Sozialer Status: Der Dorfschulmeister als Gemeindegenosse
2. 4. Schulalltag: Inhaltliche Tätigkeit

3. Der Übergang vom Schulmeister zum Schullehrer zwischen Spätaufklärung und Regeneration
3. 1. Destratifizierung der Berufstätigkeit
3. 2. Die Ausdifferenzierung staatlicher Schulstrukturen und der Beginn staatlicher Schulgesetzgebung (1798–1830) 3. 3. Die Anfänge der staatlich organisierten Lehrerbildung
3. 4. Die Ausformung einer komplementären Klientenrolle
3. 5. Aufkommende Diskurse über Lehrerbildungs- und Schulreformen

4. «Priester der Volksbildung» in der liberalen Ära
4. 1. Der staatliche Zugriff auf das Schulwesen
4. 2. Die seminaristische Berufsausbildung
4. 3. Die Kontrolle über die Berufsausbildung
4. 4. Die Einbindung der Klientel
4. 5. Die Berufspraxis zwischen Autonomie und Kontrolle
4. 6. Berufsorganisation
4. 7. Berufliche Autonomie, Berufsethos und Staatsinteressen

5. Faktoren der Begrenzung der Professionalisierung
5. 1. Das soziale Rekrutierungsfeld von Küsnachter Seminaristen zwischen 1835 und 1865
5. 2. Materielle Lage
5. 3. Die Frage der akademischen Lehrerbildung
5. 4. Feminisierung

6. Schluss


Pressestimmen

«Bloch Pfister gelingt es, auf einer breiten Quellengrundlage ein differenziertes Bild der Entwicklung der Volksschullehrerschaft im Kanton Zürich zu zeichnen. Insbesondere bezieht sie den Alltag und die Perspektive der Bevölkerung mit ein.»
Sylvia Kesper-Biermann, Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte